Wie aus heiterem Himmel…
Zum Welt-Schlaganfalltag am 29.10.2016
Der Schlaganfall ist weltweit die zweithäufigste Todesursache und die häufigste Ursache für schwere Behinderung. In Österreich erleiden jährlich ca. 25.000, in Osttirol ca. 200 Menschen einen Schlaganfall. Zwar erkranken 80% erst nach dem 60. Lebensjahr, die Zahl der jüngeren Betroffenen nimmt aber deutlich zu.
Schlaganfall ist eine akute Erkrankung des Gehirns. Die häufigsten Symptome sind plötzlich einsetzende Sprach- oder Sprechstörungen, einseitige Lähmungserscheinungen und Gefühlsstörungen, sowie Sehstörungen und Beeinträchtigungen des Gleichgewichts.
Ursache ist in ca. 85% ein Blutgerinnsel, das ein Blutgefäß im Gehirn verlegt und somit zu einer Durchblutungsstörung führt. 15% der Schlaganfälle sind durch eine Hirnblutung bedingt. Hier platzt im Gehirn ein Gefäß, das z.B. durch einen erhöhten Blutdruck vorgeschädigt wurde.
In einigen Fällen können sich die Beschwerden des Schlaganfalls von alleine zurückbilden. Trotzdem muss eine rasche Abklärung und Behandlung erfolgen. Vorübergehend auftretende Schlaganfallsymptome gehen mit einem hohen Risiko einher, dass es innerhalb der nächsten Stunden und Tage zu einem Schlaganfall mit bleibenden Schäden kommt. Das sogenannte „Schlagerl“ sollte also nie verharmlost werden.
Wenn das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird, kommt es innerhalb von wenigen Minuten zu schweren Schäden. Kein anderes Organ in unserem Körper ist dabei so empfindlich wie unser Gehirn. In einzelnen Fällen gelingt es dem Kreislauf vorübergehend, Blut aus anderen Gefäßen in das betroffene Hirnareal zu pumpen. Der Blutdruck ist deshalb in dieser Phase deutlich erhöht und darf auch nicht gesenkt werden.
Ziel der Schlaganfall-Behandlung ist es, das Gefäß wieder freizumachen. Hierzu werden spezielle Medikamente eingesetzt, mit denen das Blutgerinnsel aufgelöst werden kann. Dies gelingt aber nur innerhalb der ersten viereinhalb Stunden nach Beginn der Symptome. Eile ist daher geboten. Es gilt der Grundsatz: „Jede Minute zählt!“.
Neben dieser sog. Lyse-Therapie steht nun eine neue weitere Behandlungsmethode zur Verfügung, die so genannte mechanische Thrombektomie. Dabei wird das Blutgerinnsel mechanisch entfernt. Dies ist mit einem speziellen Gerät möglich, das im verlegten Gefäß zum Blutpfropfen vorgeschoben wird, diesen durchbohrt und mit einer speziellen Vorrichtung fixiert, so dass der Pfropfen herausgezogen werden kann. Diese Therapie gilt als extrem wirksam. Sie eignet sich jedoch nur bei Verschlüssen der großen Gefäße, also z.B. bei Verschlüssen der Halsschlagader. Unbehandelt führen gerade diese Schlaganfälle zu sehr schweren Ausfällen. Selbst mit der Lysetherapie gelingt es nicht immer, die Blutgerinnsel in diesen großen Gefäßen aufzulösen.
Wichtig auch hier: Zeit ist Gehirn. Je früher die Behandlung, desto besser das Ergebnis. Die mechanische Thrombektomie muss innerhalb der ersten 6 Stunden durchgeführt werden.
Vorbeugung ist die wirksamste Therapie
Was kann ich selber machen?
Weit mehr als die Hälfte der Schlaganfälle sind auf einen ungesunden Lebensstil zurückzuführen. In einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung der American Medical Association an 274 Schlaganfallpatienten zeigte sich sogar, dass drei von vier Schlaganfälle aufgetreten sind, weil die Betroffenen die Empfehlungen zur Vermeidung von einem oder von mehreren Risikofaktoren missachtet haben. In diesem Zusammenhang wurde der plakative Begriff „preventable stroke“, also „vermeidbarer Schlaganfall“ vorgeschlagen.
Viele Studien belegen: Das Augenmerk muss vermehrt auf die Prävention, also die Schlaganfallvorbeugung, gelegt werden. Ziel ist, alle individuellen Schlaganfall-Risikofaktoren festzustellen und konsequent zu behandeln, um asymptomatische Risikoträger asymptomatisch zu halten und damit im günstigsten Fall von vornherein zu verhindern, dass überhaupt ein Schlaganfall auftritt.
Aber auch wenn bereits ein Schlaganfall aufgetreten ist, ist die prophylaktische Kontrolle der Risikofaktoren ein wesentlicher Bestandteil der Therapie.
Die Liste der mit einem ungesunden Lebensstil einhergehenden Risikofaktoren ist lange. Die wichtigsten sind Fehlernährung, Übergewicht, Bewegungsmangel, Bluthochdruck, Zuckerkrankheit, Fettstoffwechselstörungen, Kontrazeptiva, Nikotin, übermäßiger Alkoholkonsum und Stress.
Fehlernährung und Übergewicht:
Die epidemiologische Dimension ist enorm. Nur noch 20-25% aller Menschen in den westlichen Industriestaaten gelten als normalgewichtig. Übermäßiger Fleischkonsum und junk food in Kombination mit Bewegungsmangel lassen das Körpergewicht in die Höhe schnellen.
Obst, Gemüse, Nüsse und Getreideprodukte, sowie die Verwendung wertvoller pflanzliche Öle haben hingegen einen nachweislich positiven Einfluss auf das Schlaganfallrisiko. Diese als „mediterrane Diät“ bekannt gewordenen Essgewohnheiten in südeuropäischen Ländern haben sich hinsichtlich des Schlaganfallrisikos als günstig erwiesen.
Als Maßstab für das Übergewicht dient der Body mass index (BMI). Auch der Taillen/Hüft-Quotient (WHR) als Instrument zur Beurteilung der Körperfettverteilung kann herangezogen werden.
Die vielen in diversen Medien angepriesen „Blitz- oder Wunderdiäten“ sind meist wirkungslos, manchmal sogar schädlich. Eine Diätberatung kann helfen. In einzelnen Fällen ist auch medizinische Hilfe erforderlich.
Bewegungsmangel:
Drei bis viermal pro Woche 30 Minuten sportliche Aktivität haben einen nachweislichen Effekt auf das Erkrankungsrisiko. Darüber hinaus kann damit das psychische und physische Wohlbefinden sowie die körperliche Regenerationsfähigkeit gesteigert werden.
Bluthochdruck:
Jeder vierte Österreicher leidet an Bluthochdruck. Von allen Schlaganfall-Risikofaktoren ist er einer der wichtigsten. Die Regulierung des Blutdrucks auf einen Zielwert von 120/80mm/Hg ist anzustreben. Hilfreich sind hierbei nicht nur die blutdrucksenkenden Medikamente. Der Blutdruck kann auch durch eine Vielzahl von nicht medikamentösen und diätetischen Maßnahmen, wie eine Reduktion der täglichen Salzzufuhr, mitbeeinflusst werden. Die Auswirkungen der gelungenen Blutdruckkontrolle auf das Schlaganfallrisiko sind jedenfalls beachtlich: Allein die Reduktion des diastolischen Blutdruckwertes um 5-6 mm Hg ist mit einer Verminderung des Schlaganfallrisikos um 42% verbunden. Wird der systolische Blutdruckwert auf 120 mm Hg eingestellt, so sinkt Sterblichkeitsrisiko um 27%.
Fettstoffwechselstörung:
Zu hohe Cholesterinwerte führen zu frühzeitiger Arteriosclerose und damit zu einem erhöhten Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt in der Primärprävention einen Cholesterinspiegel von maximal 200mg/dl. Aber auch zwei weitere Blutfettwerte spielen eine wichtige Rolle: Das HDL (high density lipoprotein) und das LDL (low density Lipoprotein). Diese beiden Fettwerte haben unterschiedliche Funktionen und damit auch unterschiedliche Auswirkungen auf das Gefäßsystem. HDL senkt das Arterioskleroserisiko, LDL erhöht es. Bei Männern soll der HDL-Spiegel mindestens 40 mg/dl, bei Frauen 50 mg/dl betragen. Für den LDL Spiegel sind die Empfehlungen differenzierter: Bei Menschen ohne Vorerkrankungen soll der LDL- Spiegel nicht über 160 mg/dl liegen, bei Menschen mit einem Gefäßrisikoprofil wird ein Spiegel von unter 130 mg/dl empfohlen. Hochrisikopatienten sollten einen noch niedrigeren LDL-Spiegel haben, nämlich unter 100 mg/dl, beziehungsweise bei einer bereits manifesten Gefäßverengung sogar von unter 70 mg/dl.
Für die Behandlung von Fettstoffwechselstörungen werden primär diätetische Maßnahmen empfohlen. Lebensmittel mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren wie Butter, Eier, Fleisch und Wurst sowie trans-Fetten sollten vermieden werden und die Ernährung auf Obst, Gemüse und Cerealien umgestellt werden. Bei der Verwendung von Ölen sollten solche mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren bevorzugt werden. Alkohol ist zu vermeiden.
Die medikamentöse Behandlung erfolgt primär mit sogenannten Statinen (HMC-Coenzym A Reduktasehemmer). In einzelnen Fällen können auch Cholesterin-Aufnahmehemmer wie Ezetimibe (ein am NPC1L1-Rezeptor Angreifender Cholesterol-uptake-Hemmer) dazu kombiniert werden. In einer aktuellen Studie konnte gezeigt werden, dass Ezitimibe das Schlaganfallrisiko reduziert.
Bei 0,2-0,5% der Bevölkerung liegt eine genetisch bedingte Fettstoffwechselstörung, die so genannte heterozygote familiäre Hypercholesterinämie, vor. Diese seltene Stoffwechselerkrankung geht mit einem 12-fach erhöhten Risiko für Gefäßerkrankungen einher. Neueste Untersuchungen weisen darauf hin, dass bei 4% bis 8% aller Herzinfarkt- und Schlaganfallbetroffenen diese genetische Fettstoffwechselstörung zugrundeliegt. Für diese Form der Hypercholesterinämie gibt es nun neue Medikamente. Hierbei handelt es sich um so genannte humane monoklonale Antikörper (PCSK9- Inhibitoren wie Evolocumab, Alirocumab und Bobocizumab), die alle 2-4 Wochen subkutan, also unter der Haut, verabreicht werden müssen und den LDL Spiegel um bis zu 80% senken können. Somit gibt es erstmals auch für diese seltene Erkrankungen eine wirksame Therapie.
Diabetes mellitus:
Die Zuckerkrankheit geht mit einem 3-fach erhöhten Schlaganfallrisiko einher. Sowohl die großen als auch die kleinen Gefäße können im Diabetes mellitus betroffen sein. Oft ist die Zuckerkrankheit auch mit Fettleibigkeit, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und anderen Risikofaktoren kombiniert. Empfohlen werden spezifische diätetische Maßnahmen sowie die Gabe von Plättchenhemmern und Statinen. Um und auf ist aber immer die strenge Kontrolle des Blutzuckerspiegels mit Antidiabetika.
Rauchen:
Rauchen erhöht das Schlaganfallrisiko um das 2-3-fache. Beeinflusst werden durch das Rauchen aber auch andere Risikofaktoren. So habe beispielsweise Raucher ein doppelt so hohes Risiko, an Diabetes zu erkranken. Doch es lohnt sich, mit dem Rauchen aufzuhören. Nach einigen Jahren sinkt das Schlaganfallrisiko deutlich ab.
Alkohol:
Auch Alkohol hat ebenfalls einen ungünstigen Einfluss auf das Schlaganfallrisiko. Übermäßiger Alkoholkonsum scheint einen ähnlichen Effekt zu haben wie das Rauchen.
Kontrazeptiva:
Frauen unter 45 Jahren, die kontrazeptive einnehmen, gleichzeitig rauchen und an einer Migräne mit Aura leiden, sollten sich gynäkologisch über eine Alternative zu östrogenhaltigen Kontrazeptiva beraten lassen.
Neben diesen beeinflussbaren Risikofaktoren gibt es natürlich eine ganze Reihe weiterer, vom Lebensstil unabhängige, Risikofaktoren. Für die prophylaktische Behandlung der genannten Risikofaktoren stehen zwar die ärztliche und diätätische Beratung, sowie eine ganze Reihe von Medikamenten und anderen medizinische Maßnahmen zur Verfügung.
Der entscheidende Faktor ist aber die Eigenverantwortung.